Ernährungstipp: Brennnessel-Mus

Sollten sich Sport treibende Menschen basisch ernähren?

Rene Dolge zoom Zum Einfluss unserer Nahrung auf die körpereigenen Säure-Puffersysteme.

Zutaten:

  • 250 g Zitrusfrüchte (bspw. Zitrone, Orange, Limette, Mandarine), evtl. Bio-Qualität
  • 200 g Zucker (oder Honig, Agavendicksaft, Rohrzucker)
  • 1-2 Hand voll junge Brennnesselblätter

Gesamtenergie: 44,6 kcal, Eiweiß: 0,3 g,  Kohlenhydrate: 10,4 g, Fett: 0,1 g
(Angaben pro Esslöffel)

Zubereitung

Brennnesseln können zwischen April und Juli geerntet werden. Brennnesselblätter an einem Ort fern von Straßen, Feldrändern und Hundewiesen sammeln (Einmalhandschuhe verwenden) und gleich weiterverarbeiten. Dazu kurz abwaschen, um die Brennnesselhärchen zu zerstören. Die Zitrusfrüchte schälen und grob klein schneiden. Alles zusammen mit dem gewählten Süßungsmittel pürieren und in Schraubgläser oder luftdicht verschließbare Kunststoffboxen füllen (einfrieren möglich). Von dem Mus dann täglich ein bis zwei Esslöffel zum Essen einnehmen (entspricht 25-50g). Dieses Mus wirkt entsprechend der Inhaltsstoffe basenbildend und bietet einen Cocktail an essentiellen Mikronährstoffen. Es können natürlich noch weitere Früchte hinzugefügt oder gleich ein Smoothie daraus gemacht werden.

Geeignet als: Aufwertung oder Zutat für verschiedene Mahlzeiten

Nutzen für den Sportler:

Es existieren unzählige Publikationen zum Thema Säure-Basen-Haushalt, basische Ernährung, Basen-Diät oder ernährungsbedingte Übersäuerung des Organismus, also den Einfluss unserer Nahrung auf die körpereigenen Säure-Puffersysteme. Internetforen, Naturheilkundler und zahlreiche Ratgeber mahnen die latente Übersäuerung der Menschen in den hochentwickelten Industrienationen mit westlicher Ernährungsweise an. Der Markt an entsprechenden Produkten wie basisch wirkenden Cremes, Tees, Strümpfen, Bädertinkturen und Nahrungsergänzungsmitteln wächst daher entsprechend mit.

Zunächst lässt sich zur Beruhigung sagen, dass der menschliche Organismus über ein ausgeklügeltes System an säurebindenden und säureabbauenden Mechanismen verfügt, welches bei gesunden Menschen eine Übersäuerung verhindert [1]. Beispielsweise kann der im Blut vorhandene Kohlensäure-Bicarbonat-Puffer entstehende Säuren zu Wasser und Kohlenstoffdioxid abbauen, welches dann über die Lunge wieder abgeatmet wird. Allein auf diesem Weg kann der Körper täglich bereits den Großteil des Säureüberschusses neutralisieren. Zusammen mit der Säureabgabe über den Darm, über Schweiß, den Urin und einer regelmäßigen Bicarbonat-Spülung des Bindegewebes durch Zellen des Magens, sowie der säureabbauenden Mechanismen der Leber, ist der Organismus gegen Säuren sehr gut gerüstet [1]. Eine nachweisliche Übersäuerung (Azidose) tritt bspw. erst im Zusammenhang mit Erkrankungen der Nieren, Leber oder der Lunge auf, sowie bei intensivster körperlicher Belastung, Alkoholmissbrauch oder einem entgleisten Diabetes mellitus auf [2].

Nun steht die öffentlich geschürte Angst im Raum, dass fixe Säuren – welche nicht abgeatmet werden – unsere körpereigenen Puffersysteme langfristig überlasten und eine latente Azidose auch beim gesunden Körper hervorrufen können. Diese entstehen überwiegend durch den Abbau eiweißhaltiger Lebensmittel, schwefelhaltiger Lebensmittel und mit Phosphor versetzten Nahrungsmitteln [1]. Dazu finden sich passende Tabellen, in denen Nahrungsmittel nach ihrer potenziellen renalen Säurebelastung (PRAL) eingeteilt werden [3]. In der heutigen Mischkost mit hohem Anteil tierischer Lebensmittel, wie Käse, Wurst, Fleisch etc., nehmen wir mehr säurebildende Stoffe als basenbildende Stoffe (vor allem Obst und Gemüse) auf, so dass nach dieser Rechnung fast jeder übersäuert sein müsste [2]. Dies ist jedoch nicht der Fall, da bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Fähigkeit des Körpers mit der Säurelast umzugehen deutlich größer ist, als die zu erwartende Säurebildung [2].

Trotzdem wollen viele Untersuchungen nachgewiesen haben, dass die hohe Säurelast der Nahrung die Menschen krank macht. So zeigt eine koreanische Studie scheinbar einen Zusammenhang zwischen hohen PRAL-Werten der Nahrung und einem erhöhten Risiko an Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erkranken [5]. Jedoch stellen die Autoren auch fest, dass nicht alle beobachteten Probanden bei hoher Säurelast auch eine hohe Krankheitshäufigkeit aufwiesen und dabei eine Vielzahl weiterer Faktoren wie Alter, Geschlecht, bestehende Krankheiten, Lebensstil etc. Einfluss auf die Ergebnisse nahmen [5]. Eine Literatursuche zum Zusammenhang zwischen der basischen Diät und Entstehung oder Behandlung von Krebs konnte keine positiven oder negativen Effekte dieses Ernährungsregimes zeigen [6]. Häufig kann man auch lesen, dass eine Übersäuerung des Körpers die Knochensubstanz angreift, was jedoch noch nicht eindeutig nachgewiesen wurde. Scheinbar benötigen jedoch die Fleisch verzehrenden Mischköstler einen höheren Anteil pflanzlicher Nahrung und Menschen mit vegetarischer oder veganer Ernährungsweise mehr pflanzliches Protein, um eine gesunde Knochenmasse zu erhalten [7].

Auch Sportlerinnen und Sportler erhoffen sich positive Ergebnisse durch Umstellung der Ernährung auf eine überwiegend basische Lebensmittelauswahl, um die leistungsmindernde Übersäuerung während intensiver sportlicher Belastung und damit die vorzeitige Ermüdung der Muskulatur zu verringern [8]. Zu diesem Zwecke werden bereits seit den 1970er Jahren Präparate wie Natrium-Bikarbonat vor dem Wettkampf eingenommen. Jedoch ist die Studienlage über diese ergogenen Substanzen bis heute nicht eindeutig und fußt meist auf Studienpopulationen von weniger als 20 Probanden. Es ist scheinbar sehr von individuellen Gegebenheiten abhängig, sowie von Zeitpunkt und Dosierung, ob denn positive Ergebnisse mit diesen leistungsfördernden Substanzen erreicht werden können oder ob es nur zu Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall kommt [8]. Sicher scheint zu sein, dass der Körper sich selber im Laufe des jahrelangen Trainings an die zusätzliche Säure-Belastung gewöhnt und diese viel effektiver beseitigen kann, als es bei untrainierten Menschen der Fall ist. So kann ein trainierter Körper auch deutlich effektiver anfallende Säuren neutralisieren und Ausscheiden [8].

Generell ist derzeit die Beweiskraft von Studien zum Thema Basische Ernährung dürftig. Meist handelt es sich um Beobachtungsstudien mit verschiedenen Störgrößen, welche die Beurteilung der Ergebnisse nur mit viel Vorsicht und unter Vorbehalt zulassen [4; 9; 10]. Zudem genügen die bisherigen Ergebnisse nicht, um definitiv sagen zu können, dass bestimmte Erkrankungen auf eine ernährungsinduzierte, latente Azidose zurückzuführen wären [4; 9]. Im Sport konnten bisher auch keine Beweise dafür gesammelt werden, dass eine basische Ernährung oder basenbildende Nahrungsergänzungsmittel die Leistungsfähigkeit, Regeneration oder Gesundheit verbessern können [4; 9; 10]. Dies schaffen ein kontinuierliches Training und ein bewegter Alltag von ganz allein [9].

Wer dennoch zukünftig seinen Körper bei der Wiederherstellung des Gleichgewichtes von Säuren und Basen unterstützen möchte, kann dies über regelmäßige körperliche Belastung, Stressabbau in der Freizeit, moderatem Konsum tierischer Lebensmittel, dem Verzehr von mindestens 400-600 g Gemüse und Obst am Tag und dem Trinken von Hydrogencarbonat-reichem Wasser erreichen [1; 2].

Unser Autor René Dolge ist staatlich anerkannter Diätassistent, trägt den Titel „M.Sc.Gesundheits- und Pflegewissenschaft" und arbeitet freiberuflich in der Diät- und Ernährungstherapie. Im Sachsensport und auf den Seiten des Landessportbundes Sachsen unter www.sport-fuer-sachsen.de stellt er monatlich neue praktische Beispiele für sportgerechte Ernährung vor.

Literatur:

[1] Martin, H.-H. (2017). Säure-Basen-Haushalt: Besser basisch essen? Abgerufen am 01.06.2017 von https://www.ugb.de/ernaehrungsplan-praevention/saeure-basen-haushalt/ [2] Siener, R. (2006). Einfluss der Ernährung auf den Säure-Basen-Haushalt. Abgerufen am 01.06.2017 von https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2006/05_06/EU05_168_173_Version02.pdf [3] Remer, T. & Manz, F. (1995). Potential renal acid load of foods and its influence on urine pH. Journal of the American Dietetic Association, 95(7):791-7. [4] Fenton, C.J., Fenton, T.R. & Huang, T. (2017). Further Evidence of No Association between Dietary Acid Load and Disease. The journal of nutrition, 147(2):272. [5] Han, E., Kim, G., Hong, N., Lee, Y.H., Kim, D.W., Shin, H.J., Lee, B.W., Kang, E.S., Lee, I.K. & Cha, B.S. (2016). Association between dietary acid load and the risk of cardiovascular disease: nationwide surveys (KNHANES 2008-2011). Cardiovascular diabetology, 15(1):122. [6] Huebner, J., Marienfeld, S., Abbenhardt, C., Ulrich, C., Muenstedt, K., Micke, O., Muecke, R. & Loeser, C. (2014). Counseling patients on cancer diets: a review of the literature and recommendations for clinical practice. Anticancer Research, 34(1):39-48. [7] Knurick, J.R., Johnston, C.S., Wherry, S.J. & Aguayo, I. (2015). Comparison of correlates of bone mineral density in individuals adhering to lacto-ovo, vegan, or omnivore diets: a cross-sectional investigation. Nutrients, 7(5):3416-26. [8] Peart, D.J., Siegler, J.C. & Vince, R.V. (2012). Practical recommendations for coaches and athletes: a meta-analysis of sodium bicarbonate use for athletic performance. Journal of strength an conditional research, 26(7):1975-83. [9] Schwalfenberg, G.K. (2012). The alkaline diet: is there evidence that an alkaline pH diet benefits health? Journal of environmental and public health, 2012:727630. [10] Applegate, C., Mueller, M. & Zuniga, K.E. (2017). Influence of Dietary Acid Load on Exercise Performance. International Journal of sports nutrition and exercise metabolism, 27(3):213-219.

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