Ratgeber Sportmedizin

Der Einfluss der inneren Uhr auf unsere Leistungsfähigkeit

Hans-Werner Pfeifer zoom Wir alle haben eine innere Uhr und spüren dies auch. So wissen wir meist in etwa wie spät es ist, auch ohne auf die Uhr zu schauen. Selbst bei einem nächtlichen Aufwachen schätzen wir die Uhrzeit relativ genau. Dies ist allerdings nach Vollnarkosen, bei Alkohol-und Drogengebrauch, bei Fieber sowie beim Jetlag gestört.

Diese innere Uhr ist die Fähigkeit unseres Körpers, unsere Körperfunktionen auf einer Periodenlänge von etwa 24 Stunden zu synchronisieren. Dieses Phänomen wird auch als zirkadiane Rhythmik bezeichnet. Das Wort ist eine Zusammensetzung der lateinischen Wörter circa (etwa, ungefähr) und dies (Tag). Der wichtigste zirkadiane Rhythmus ist der Schlaf-Wach-Rhythmus. Der 24-Stunden-Rhythmus ist Folge der Drehung unserer Erde einmal in 24 Stunden um die eigene Achse und so diese Zeit in Tag und Nacht und somit in hell und dunkel aufgeteilt ist. Diese Periodenlänge von 24 Stunden hat nicht nur bei uns Menschen, sondern bei vielen Lebewesen großen Einfluss.

Das Licht ist über die damit verbundene Melatoninproduktion einer der stärksten Faktoren für den zirkadianen Rhythmus unseres Körpers. Melatonin ist ein wichtiges Hormon, das u.a. den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert. Deshalb fühlen wir uns in den hellen Sommermonaten auch ausgeschlafener und sind weniger müde als in den dunkleren Wintertagen.

Schwankungen der Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf

Da sämtliche Zellen unseres Körpers einer zirkadianen Rhythmik unterliegen, hat die innere Uhr großen Einfluss auf unsere Leistungsfähigkeit. Unsere Leistungsfähigkeit ist im Tagesverlauf nicht immer gleich, sondern periodischen Schwankungen, dem Biorhythmus, unterworfen. Diese im Tagesverlauf vorhandenen Leistungsschwankungen können immerhin bis zu einem Viertel der Leistungsfähigkeit ausmachen. Je nach Tageszeit sind wir entweder auf Aktivität, Entspannung, Ruhe oder Essen eingestellt. Nach einem vormittäglichen Leistungshoch folgt gegen Mittag eine Phase verminderter Leistungsfähigkeit (Mittagstief), am Nachmittag folgt ein zweites Leistungshoch und gegen Abend kommt es dann zu einem erneuten Rückgang der Leistungsfähigkeit. Wir werden müde, der Körper bereitet sich auf die Nachtruhe vor. Die meisten Menschen erreichen ihre Gipfel der Leistungsfähigkeit morgens gegen zehn Uhr und nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr, wobei morgens die Konzentrationsfähigkeit und nachmittags die körperliche Leistungsfähigkeit am größten sind.

Lerchen- und Eulentypen

Der Biorhythmus unterliegt zwar den genannten Phasen, aber jeder Mensch hat genetisch bedingt seinen individuellen Biorhythmus, seinen Chronotyp. So gibt es Menschen, die stehen früher auf und sind am Morgen besonders leistungsfähig, dafür sind sie dann am Abend eher müde. Bei Abendtypen verschiebt sich alles nach hinten. Sie sind abends lange leistungsfähig, morgens aber dafür müde und muffelig. Wissenschaftler haben die beiden unterschiedlichen Schlaf-Wach-Varianten nach Vorbildern aus der Vogelwelt benannt. Die Morgentypen werden als Lerchen, die Abendtypen als Eulen bezeichnet. Die meisten Menschen sind allerdings Mischtypen.

Leben gegen die innere Uhr

Sicher verlangen Schul- und Arbeitszeiten sowie die Trainings- und Wettkampfzeiten eine Anpassung des Körpers an dieses von außen vorgegebene Zeitregime. Lerchen sollten aber besonders anspruchsvolle Aufgaben, z.B. auch die Vorbereitung auf eine Prüfung, lieber in die frühen Morgenstunden legen und dafür am Abend eher schlafen gehen. Eulen sollten es genau umgedreht machen. Der Morgentyp sollte lieber vor der Arbeit eine Runde Joggen, der Abendtyp am Abend. Wenn man längerfristig gegen seine innere Uhr lebt, sind gesundheitliche Folgen nicht selten. Es kommt zu einer verringerten mentalen und körperlichen Leistungsfähigkeit, zu Schlafstörungen und einer erhöhten Infektanfälligkeit.

Die flexiblen Arbeitszeitangebote vieler Unternehmen geben den unterschiedlichen Chronotypen die Möglichkeit, die Arbeitszeit entsprechend ihres Biorhythmus zu wählen. Wissenschaftler sprechen sich auch für einen nicht zu frühen Schulbeginn aus. Gerade für Eulentypen ist ein sehr früher Unterrichtsbeginn nachteilig.

Wechselschichtarbeit ist meist mit einem Leben gegen die innere Uhr verbunden. Aus medizinischer Sicht sind wöchentliche Wechsel der Schichten eher ungünstig, aber aus sozialen Gründen oft nicht vermeidbar. Eine Dauernachtschicht wird vom Körper in der Regel besser toleriert als ein Wechselschichtrhythmus, da die Synchronisierung zwischen innerer Uhr und Arbeitszeit nicht regelmäßig gestört wird.

Grundsätzlich vermeidbar sind Störungen unseres Biorhythmus und damit die Störung der inneren Uhr durch lange Diskonächte bis in die frühen Morgenstunden. Dies sollte der Wettkampfsportler zumindest vor wichtigen Wettkämpfen unbedingt beachten und vermeiden.

Chronobiologische Vorbereitung des Körpers auf den Wettkampfhöhepunkt

Das Training sollte sich in Vorbereitung auf den Wettkampfhöhepunkt an dessen Startzeit anpassen. Findet der Wettkampf am Abend bzw. in der Nacht statt (z.B. wie Marathon und Gehen zur Leichtathletik-WM 2019 in Doha), sollte auch in Vorbereitung zu solchen Zeiten trainiert werden. Sportler, die Wettkämpfe in anderen Zeitzonen bestreiten, sollten möglichst rechtzeitig zum Wettkampfort anreisen, um zu vermeiden, dass ihre Leistungsfähigkeit Jetlag bedingt beeinträchtigt ist. Bezüglich der Dauer der Anpassung der inneren Uhr an die neue Ortszeit gilt die Faustregel, dass je Stunde Zeitverschiebung in der Regel ein Tag benötigt wird. Grundsätzlich geht die Neujustierung unserer inneren Uhr bei Flügen in westlicher Richtung einfacher und schneller als in die Gegenrichtung.

Dr. med. Ina Ueberschär, Chefärztin des MEDIAN Sportmedizinischen Instituts Leipzig